Weniger urteilen – mehr verstehen
Wir urteilen sehr schnell und oft - manchmal nicht so ganz fair.
Elisabeth Lang
9/18/20253 min read
Von Tingey Injury Law Firm / Unsplash
Ich sitze im Café und beobachte die Menschen, die an mir vorbeigehen. Wie wirken sie? Welchen Ausdruck tragen sie im Gesicht?
Die blonde Frau dort drüben zum Beispiel. Mein erster Gedanke: „Bestimmt hat sie sich die Lippen machen lassen …“
Oder das junge Mädchen mit gesenktem Blick – natürlich schaut sie aufs Handy. Sofort schießt mir durch den Kopf: „Ach, diese Generation …“
Solche Gedanken kenne ich nur zu gut. Seit ich bewusster darauf achte, merke ich, wie schnell sie entstehen.
Wir alle tun es. Kaum betritt jemand den Raum, schon ordnet unser Kopf: „So sieht er aus, so ist er bestimmt.“
Ein unsichtbares Schubladensystem, das sich blitzschnell öffnet.
Der Unterschied: Heute fällt es mir öfter auf. Und wenn ich mich dabei ertappe, merke ich, dass diese Urteile nicht wirklich nett sind. Und ehrlich gesagt – sie helfen weder mir noch dem anderen.
Warum wir so schnell urteilen
Urteilen ist ein Reflex. Früher war er überlebenswichtig: „Freund oder Feind? Gefahr oder Sicherheit?“
Heute brauchen wir diese Einteilung kaum noch – aber unser Gehirn macht trotzdem weiter.
Manchmal steckt auch ein kleines Aufwerten dahinter: Wenn ich jemanden im Kopf abwerte, fühle ich mich selbst einen Moment größer. Unbewusst zumindest.
Es gibt uns das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben. Doch was wir sehen, ist nur ein winziger Ausschnitt. Wir kennen die Geschichten, Sorgen oder Freuden eines Menschen nicht. Trotzdem kleben wir Etiketten.
Schubladen und ihre Tücken
Ja, manchmal scheinen unsere Schubladen zu stimmen. Wenn ich jemanden für „immer negativ“ halte, finde ich prompt ein Stirnrunzeln, das meine Meinung bestätigt. Aber wie oft übersehe ich dabei das Lächeln, die Geste der Freundlichkeit?
Schubladen sind bequem. Aber sie engen ein – uns und die anderen. Sie halten uns davon ab, den Menschen wirklich zu begegnen.
Wer zeigt, zeigt auch auf sich
Es gibt dieses Sprichwort: „Wenn du mit dem Finger auf andere zeigst, zeigen drei Finger auf dich zurück.“
Oft sagt mein Urteil über jemanden mehr über mich aus als über ihn. Warum stört mich ein mürrisches Gesicht so sehr? Vielleicht, weil ich selbst gerade angespannt bin. Oder weil eine alte Erfahrung in mir angestoßen wird.
Ein kleiner Schritt zu mehr Gelassenheit
Ich übe, innezuhalten. Wenn ich merke, dass ich urteile, frage ich mich: „Was weiß ich wirklich über diesen Menschen?“
Manchmal hilft es mir, mir vorzustellen: Jeder trägt sein unsichtbares Gepäck. Die Frau, die nicht grüßt, ist vielleicht in Gedanken. Der Mann mit der harten Miene macht sich womöglich Sorgen. Wahrscheinlich hat das gar nichts mit mir zu tun.
Natürlich falle ich auch zurück in alte Muster. Aber schon das Bewusstsein verändert etwas.
Weniger urteilen, mehr neugierig sein
Vielleicht geht es nicht darum, nie wieder zu urteilen. Sondern darum, sanfter zu werden – mit uns selbst und mit anderen.
Und wenn wir die Schubladen schon nicht loswerden, können wir sie wenigstens immer wieder öffnen und schauen, was da noch verborgen liegt.
Wer weiß: Vielleicht entdecken wir dabei nicht nur Neues an anderen, sondern auch an uns selbst.
Ein kleiner Impuls für dich
Beim nächsten Mal, wenn du jemanden automatisch in eine Schublade steckst, halte kurz inne und frag dich:
Was weiß ich wirklich über diesen Menschen?
Welche andere Erklärung könnte es für sein Verhalten geben?
Wie würde ich mich fühlen, wenn man mich so beurteilt?
Oft reicht schon dieser kleine Perspektivwechsel, um den Tag leichter und wärmer zu machen.
Und zum Schluss …
Vielleicht magst du es einmal mit Meditation versuchen. Sie hilft, Gedanken nicht einfach nur zu denken, sondern sie bewusst wahrzunehmen. Ich werde euch mit auf diese Reise nehmen. Auch beim Thema Urteilen (auch über sich selbst) ist das eine wunderbare Übung. Mit der Zeit wird man milder – mit sich selbst und mit der Welt.