In der Stille ankommen – Erfahrungen aus einem Stille-Retreat
Schon mal vier Tage still gewesen? Ohne Mobiltelefon, Buch und Musik? Dafür aber mit viel Meditation und ...
Elisabeth Lang
6/22/20253 min read
Von Jan Huber / Unsplash
Ich hatte den Wunsch zu verreisen – wenn auch nur für kurze Zeit. Aber anders als sonst. „Reisen mit Sinn“ – das hat mich magisch angezogen.
In einer Zeit, in der ständige Erreichbarkeit, Lärm und äußere Reize unseren Alltag bestimmen, erscheint mir die Vorstellung, mehrere Tage in vollkommener Stille zu verbringen, äußerst reizvoll, aber auch beängstigend. Yoga und Meditation sind inzwischen feste Bestandteile meines Lebens, doch ich wollte diese Praxis – gepaart mit Stille – einmal in Gemeinschaft erleben.
Was ist ein Stille-Retreat?
Ein Stille-Retreat ist ein bewusster Rückzug aus dem gewohnten Leben in einer Umgebung der Ruhe. Ich entschied mich für das Art of Living Stille Retreat in Bad Antogast im Schwarzwald. Schon beim Ankommen vermittelt der Ort, eingebettet in wunderschöner Natur, eine tiefe innere Ruhe.
Die Retreat-Woche umfasst sechs Tage, von denen ich die letzten vier in vollständigem Schweigen verbringe. Gespräche, digitale Medien, Bücher und äußere Ablenkungen sind tabu. Stattdessen: Yoga, Meditation und Atemübungen, über den Tag verteilt. Und natürlich Spaziergänge in der wunderschönen Natur
Der Tag beginnt früh – um 7:00 Uhr mit einer Yoga-Session, gefolgt von der Sudarshan Kriya, einem kraftvollen Atemprozess, der Körper und Geist mit Energie und Klarheit versorgt. Seitdem praktiziere ich diese Atemübung täglich – sie gibt mir Vitalität und mentale Stärke. Ich bin begeistert von ihrer Wirkung.
Die ersten Tage: Wenn Unruhe auf Stille trifft
Wie vielen anderen auch, ging es mir anfangs so: ein regelrechtes Gedankenkarussell setzt ein. Ohne äußere Ablenkungen werden innere Prozesse laut. Vergangene Erlebnisse, Sorgen, unerledigte Aufgaben – all das drängt sich plötzlich in den Vordergrund.
Diese Phase ist nicht einfach, aber entscheidend. Die Stille wirkt wie ein Spiegel – schonungslos zeigt sie, was sonst übertönt oder überspielt wird. Ich dachte eigentlich, vergangene Erlebnisse schon verarbeitet zu haben. Doch in der Stille zeigt sich oft mehr, als man denkt.
Und genau hier beginnt die eigentliche Herausforderung: das bewusste Aushalten der inneren Unruhe. Nicht leicht, aber unglaublich wertvoll. Denn am Ende steht eine Erkenntnis – vielleicht sogar ein neuer Zugang zu sich selbst.
Die Kraft der Präsenz
Neben den inneren Prozessen verändert sich auch meine Wahrnehmung: Das Zwitschern der Vögel klingt intensiver, die Farben des Waldes leuchten kräftiger, und selbst das (sehr gute, ayurvedische!) Essen schmeckt aromatischer. In der Stille entsteht ein tiefes Gefühl von Präsenz – im Hier und Jetzt.
Man spürt, wie oft man sich im Alltag durch Erwartungen, Selbstkritik und Bewertungen ablenken lässt – und wie unwesentlich vieles davon eigentlich ist.
Begegnung ohne Worte
Obwohl kein gesprochenes Wort fällt, ist die Verbindung zu den anderen Teilnehmer:innen deutlich spürbar. Ein Blick, ein gemeinsames Gehen, ein stilles Lächeln beim Frühstück – all das schafft Nähe. Diese wortlose Begegnung berührt manches Mal tiefer als lange Gespräche.
Durch das Schweigen entsteht eine besondere Energie: Niemand muss sich darstellen, niemand muss etwas sagen – und doch entsteht Verbindung.
Zurück im Alltag – und doch verändert
Nach den Tagen der Stille kehre ich zurück in den Alltag. Ein intensives Gefühl. Manche Teilnehmende kommen beseelt zurück, andere nehmen tiefe Erkenntnisse mit – oder einfach nur Entspannung, inneren Frieden oder neue Beweglichkeit, körperlich wie mental.
Auch wenn alles plötzlich wieder lauter ist: Ich habe jetzt ein tieferes Gespür für mein eigenes Tempo, gehe bewusster mit Medien um und höre achtsamer – auf mich selbst und auf andere. Das möchte ich weiter intensivieren.
Die Atemübungen sind Teil meiner Morgenroutine geworden.
Wer mehr über sich selbst erfahren möchte, wer wirkliche Ruhe und Klarheit sucht – egal ob in einem Ashram, einem Kloster oder einem anderen schönen Rückzugsort – dem kann ich ein Stille-Retreat von Herzen empfehlen. Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen.
Die Qualität unseres Lebens ist von der Qualität unserer Gedanken abhängig
Zitat: Sri Sri Ravi Shankar